Fragwürdiges Demokratieverständnis
Die im Grossen Rat dominierenden Parteien CVP, FDP und BDP wollen seit letztem Freitag, dass sich der Kanton Graubünden mit einer Standesinitiative dafür einsetzen soll, dass das Bundesgericht zum Wahlrecht der Kantone nichts mehr zu sagen hat. Genauer geht es darum, dass sich der Kanton Graubünden damit einer erwarteten Rügedes Bundesgerichtes am Majorz-Wahlsystem entziehen kann und das bestehende Wahlrecht beibehalten kann. Dass Parteien bestrebt sind, möglichst viele ihrer Leute in Regierung, Parlament, etc. zu platzieren, ist legitim und nachvollziehbar. Eine Partei, die dieses Bestreben aufgibt, wird bald nicht mehr existieren und hat letztlich keine Zukunft. Es gibt aber auch für Parteien Grenzen, die ungeachtet ihrer Stärke und Grundhaltung zu respektieren sind. Wer nur nach Macht strebt, hat unsere Demokratie zweifellos nicht verstanden.
Die grossen Parteien (CVP, BDP und FDP) können heute im Grossen Rat bei allen Entscheiden nach Belieben dominieren und nach eigenem Gusto schalten und walten. Es reicht sogar, wenn sich nur zwei dieser Parteien zusammenschliessen. Umso unverständlicher ist es, dass unter Anführung der CVP die grossen Parteien eine Standesinitiative fordern, die dahin zielt, die Bundesverfassung so zu ändern, dass das Bundesgericht zu unserem Wahlsystem nichts mehr zu sagen hätte. Sicher wollen wir Bündnerinnen und Bündner möglichst viel selber bestimmen; auch das ist legitim. Wenn nun aber Politiker hingehen und übergeordnetes Recht ausschalten wollen, hat dies mit unserem Demokratieverständnis gar nichts mehr zu tun. Mit der Standesinitiative möchten sie nämlich letztlich tatsächlich Artikel 8 der Bundesverfassung, der die Rechtsgleichheit garantiert, abschaffen. Und das Ziel der ganzen Übung soll einzig sein: Die grossen Parteien des Grossen Rates wollen keine Mandate verlieren. Die SVP akzeptiert den Volksentscheid zur Ablehnung der Proporzinitiative vorbehaltlos; eine Beschränkung der verfassungsmässigen Rechte, wie sie die Initianten der Standesinitiative anstreben, ist für sie aber nicht hinnehmbar. Vermutlich wissen die Initianten dieses Vorhabens sehr wohl, dass ihr Ansinnen keinerlei Chancen haben wird. Warum sie es trotzdem tun, kann wohl nur damit erklärt werden, ein gerechteres Wahlsystem als das bestehende Wahlsystem noch länger hinauszuzögern, eine Verzögerung nicht nur bis 2018, sondern mindestens bis 2022. Vielleicht geben die Kleinen bis dann auf oder andere resignieren ob dem ungerechten Wahlsystem. Besonders bedenklich ist aber, dass man dadurch die Interessen von rund 40 % der Wählerschaft (Zahlen Nationalratswahlen 2011) vom Kantonsparlament faktisch fernhalten möchte. Und dies zeugt von einem bedenklichen Demokratieverständnis. Wir Bündnerinnen und Bündner haben sicher unsere Eigenart, die wir auch beibehalten möchten. Das Ansinnen der grossen Parteien des Grossen Rates ist aber keine Bündner Eigenart. Es ist lediglich eine nicht zu Ende gedachte, biedere Machtdemonstration. SVP Graubünden