Volksabstimmung unerwünscht? Ja! – von Gabriela Menghini-Inauen

Am 30. April 2025 hat der Bundesrat entschieden, die geplanten Rahmenverträge mit der EU nur einem fakultativen Referendum zu unterstellen, was zunächst eine Unterschriftensammlung voraussetzt. Damit entfällt das Ständemehr und es reicht ein einfaches Volksmehr. Dieser Entscheid ist ein massiver Rückschlag für die Schweizer Demokratie und den Föderalismus. Offenbar fürchtet man, dass insbesondere ländliche Kantone die Verträge ablehnen könnten. Gestützt wird diese Entscheidung auf ein umstrittenes Gutachten des Bundesamts für Justiz, das ein obligatorisches Referendum angeblich für verfassungswidrig hält. Besonders irritierend ist, dass der Entscheid den früheren Aussagen von Aussenminister Ignazio Cassis widerspricht, der beide Varianten zur Diskussion stellen wollte. Obwohl das Parlament den endgültigen Entscheid trifft, erscheint eine Korrektur schwierig. Dabei hätten diese Verträge unbedingt dem Doppelmehr unterstellt werden müssen, da mit der dynamischen Rechtsübernahme die Schweizer Rechtsordnung klar beeinflusst und die kantonale Souveränität massiv beschnitten wird. In der Vergangenheit wurden bedeutende Staatsverträge freiwillig dem Ständemehr unterstellt (z.B. EWR-Vertrag 1992). Der Bundesrat hätte den rechtlichen Spielraum gehabt, ein sogenanntes Staatsvertragsreferendum „sui generis“ anzusetzen. Die kommende Vernehmlassung bietet den Kantonen nun die Gelegenheit, sich klar gegen diesen föderalistisch fragwürdigen Schritt auszusprechen. Die Schweizerinnen und Schweizer sollten dabei genau beobachten, wie sich ihre Kantonsregierungen positionieren und wer sich dabei für Föderalismus und direkte Demokratie stark macht. Statt taktischer Manöver braucht es bei solch wichtigen Verträgen maximale demokratische Legitimation durch Volk und Kantone. Der Bundesrat hätte mit einem fairen und mutigen Entscheid für das Ständemehr Vertrauen in unsere direktdemokratischen Prozesse schaffen können. Die Schweiz braucht gerade in solch wichtigen Fragen mehr Demokratie und föderalistische Mitbestimmung, nicht weniger.
Gabriela Menghini-Inauen, Grossrätin
