Proporz-Theater. Leserbrief von Jann-Andrea Thöny, Präsident JSVP Graubünden
Jann-Andrea Thöny, Präsident JSVP GR
Erster Aufzug. Erste Szene: 1295, England. Edward I, König von England und Fürst von Wales, führt den Parlamentarismus ein. Ein kleiner Teil der Bevölkerung ist effektiv wahlberechtigt.
Zweite Szene: 1918, England. Das Pionierland des Parlamentarismus tut sich schwer mit der Weiterentwicklung der Demokratie – bloss 52% der Männer kommen in den Genuss des Wahlrechts. Werden die Frauen dazugerechnet, zwingen 26% der Staatsangehörigen der Gesamtbevölkerung die „Repräsentanten“ auf.
Dritte Szene: 1928, England. Jeder Bürger ab 18 Jahren ist wahlberechtigt. Jede Stimme hat dasselbe Gewicht.
Zweiter Aufzug. Erste Szene: 1499, heutiges Graubünden. Die Drei Bünde trennen sich vom Heiligen Römischen Reich und entwickeln sich zu einem Freistaat mit einer kommunalen Herrschaft. Bereits werden Entscheide nach dem Mehrheitsprinzip getroffen.
Zweite Szene: Frühjahr 2013, Grossratssaal Chur. 72 Abgeordnete der beiden grössten Fraktionen denken nicht daran, Platz zu machen. Sie beanspruchen über 60% der bequemen Sessel für sich, wobei sie bloss einen Wählerstimmenanteil von 28% auf sich vereinen. 28% der Kantonsangehörigen zwingen der Gesamtbevölkerung die Mehrheit der „Repräsentanten“ auf.
Dritte Szene: 3. März 2013, Wahllokale Graubünden. Die Bevölkerung erhält die Chance, der groben Stimmkraftverzerrung mit einem JA zu „Gerechten Wahlen“ ein Ende zu setzen.
Nachspiel: England brauchte lange, bis jeder Bürgerin und jedem Bürger dieselbe Stimmkraft verliehen wurde. Ob Graubünden am 3. März 2013 diesen Schritt auch machen kann?