Fragwürdige Medienkonferenz der Proporzgegner
Die Mitteparteien CVP und FDP verfügen im Grossen Rat über eine Mehrheit von 60%, obschon ihr gemeinsamer Wähleranteil bei den Nationalratswahlen lediglich 28.5% betrug. Ein demokratisches Wahlsystem müsste „die Mehrheit der Wähler davon bewahren, von der Minderheit regiert zu werden“. Statt sich mit dieser Problematik auseinanderzusetzen, versuchen die Parteien ihre Machtposition zu zementieren. Dazu veranstalteten sie sogar eine Medienkonferenz. NR Candinas will weiterhin Vertreter der Talschaften im Grossen Rat. SR Engler will aus geschichtlichen Gründen unser Wahlsystem beibehalten. SR Schmid versteift sich in der Behauptung, das Bündner Majorzsystem verstosse nicht gegen die Bundesverfassung, und NR Hassler befürchtet eine Stärkung der kleinen Parteien bzw. der Minderheiten. Mit diesen Argumenten blenden sie aber folgende Tatsachen wider besseren Wissens aus:
1. Die Talschaften sind auch bei Proporzwahlen vertreten. Hingegen wird ein Stimmberechtigter von Avers bei der Bestellung des Grossen Rates nicht mehr 11 x mehr zu sagen haben als ein Stimmberechtigter aus Ruis oder gar 40 x mehr als ein Churer Stimmberechtigter.
2. Das Bundesgericht hat 2010 im Fall Nidwalden entschieden, dass historische Gründe für die Aufrechterhaltung eines fragwürdigen Wahlsystems nicht geltend gemacht werden können.
3. Selbstverständlich ist auch ein Majorzverfahren möglich – nicht aber mit der heutigen Kreiseinteilung. Das ist die gefestigte Auffassung des Bundesgerichtes und aller relevanten Rechtsgelehrten. Staatsrechtsprofessor Andreas Auer: „Das Bündner Majorzsystem ist schlicht und einfach, aber klar verfassungswidrig“. Auch die Bündner Regierung hat sich klar für den Proporz ausgesprochen. Aufgrund dieser Fakten ist es eine Irreführung der Stimmberechtigten, wenn SR Schmid behauptet, unser Wahlsystem verstosse nicht gegen die Bundesverfassung.
4. Mit seiner Äusserung will NR Hassler die bestehenden Vorrechte bei der Besetzung des Grossen Rates aufrecht erhalten und weiterhin grosse Bevölkerungsteile und Minderheiten von der Mitwirkung im Grossen Rat ausschliessen. Damit nimmt er in Kauf, dass Volksvertretung und Volksmeinung immer mehr auseinanderdriften. Die Abstimmungen über HARMOS, Finanzausgleich und Tourismusteuer sollten eigentlich deutlich machen, dass hier Reformbedarf besteht. Rechtsstaatlich einwandfreie Wahlen einführen Statt sich mit diesen Fakten auseinanderzusetzen, bemühen sich die Gegner des Proporzes weiterhin, bestehende Machtstrukturen aufrecht zu erhalten. Offensichtlich ist es ihnen egal, ob der Grosse Rat als oberstes Volksvertretungsorgan repräsentativ zusammengesetzt ist oder nicht. Diese Haltung, die jahrzehntelang aus politischen Gründen vertreten wurde, ist heute nicht mehr haltbar. Deshalb tun wir gut daran, auch in Graubünden rechtsstaatlich einwandfreie Wahlen für unsere Volksvertretung einzuführen. Darum: Ja zu gerechten Wahlen, Ja zum Proporz.
Andrea Davaz, Fläsch